Auch eine eigene Fernsehsendung gebührte schon dem TüPl A - wie die militärische Bezeichnung lautet.
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Quelle: Copyright 2002 Verein Information Waldviertel
Weltweit wurden in den letzten Jahrzehnten großflächig wertvolle Naturlandschaften zerstört. Durch diese Entwicklung hat auch in Österreich die Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten abgenommen, nicht wenige Arten sind vom Aussterben bedroht.

Das entsiedelte Gebiet im Herzen des Waldviertels, seit 1938 als Schießplatz der Militärs genutzt, hat sich v.a. aufgrund der Tatsache, daß es nicht oder kaum landwirtschaftlich genutzt wird, zu einer mindestens für Europa einzigartigen Naturlandschaft zurück entwickelt – oder wie Minister Dr. Martin Bartenstein formulierte, zu Österreichs heimlichem Nationalpark”.

Seit der Öffnung großflächiger militärischer Sperrgebiete jenseits des einstigen "Eisernen Vorhangs" wird die Bedeutung dieser Flächen als Rückzugsräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten erkannt. So wurde in der ersten Hälfte der 1990er Jahre auch für den 157km² umfassenden Truppenübungsplatz im Waldviertel eine ökologische Zustandsanalyse und ein Maßnahmenkatalog erstellt.

Wie sieht das Gebiet aus?

Mit einer Fläche von ca. 15.700 ha (etwa so groß wie das Fürstentum Liechtenstein) stellt der Truppenübungsplatz zusammen mit Gebieten entlang des Kamptales, der Wild, dem Raum Steinplattenwald - Geißruck - Perneggergraben - Stockgraben, Oberer Molder Berg-Maria Dreieichen - Unterer Molder Berg - Kuchlmais - Geiersdorfer Wald - Bergwald - Marital - Heidäcker bis einschließlich Plank am Kamp ein Gebiet großflächig miteinander kommunizierender, wertvoller naturnaher Landschaften dar.

Wegen seiner Großräumigkeit, Unzugänglichkeit und seines enormen Anteils (45%) an Brachflächen (wie sie sind in der heutigen Kulturlandschaft praktisch nicht vorhanden sind), wird der Truppenübungsplatz Allentsteig in Fachkreisen seit langer Zeit als Rückzugsgebiet für bedrohte Arten gesehen.

Die Studie "Biotoperhebung Truppenübungsplatz Allentsteig" ist auf Anregung der Abteilung Umweltschutz im Bundesministerium für Landesverteidigung in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt entstanden.

Was wurde untersucht?

Im Rahmen der Untersuchungen, die den ökologischen Wert des Truppenübungsplatzes Allentsteig dokumentieren sollen, wurden 1990/91 die Schwerpunkte bearbeitet.

Landschaft und Vegetation,
Vogelwelt (ornithologische Kartierung, Bedeutung der Brachflächen für die Vögel),
Fischottervorkommen,
Fledermausfauna,
Amphibien und Reptilien sowie
Mollusken (Muscheln und Schnecken)

Empfolen wurde die Wiederholung der Untersuchungen im Abstand von jeweils 8 bis 10 Jahren.

Für die Biotopstudie wurde eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe gebildet, die aus Wissenschaftern der Universität für Bodenkultur, des Naturhistorischen Museums, der Österreichischen Gesellschaft für Vogelkunde, dem Forschungsinstitut WWF Österreich, weiteren Experten aus dem Bereich der Zoologie besteht. Die von der Arbeitsgruppe durchgeführten Erhebungen bildeten die Grundlage für die Erstellung einer Biotoptypenliste, einer kartographischen Darstellung der schützenswerten Bereiche und mündeten in einen Maßnahmenkatalog für die naturschutzgerechte Behandlung des Truppenübungsplatzes.

Die einleitende Beschreibung des Truppenübungsplatzes aus landschaftsökologischer Sicht gibt einen ersten Eindruck vom Wert seiner Beschaffenheit wieder: "Betritt man als Besucher das Gelände des Truppenübungsplatzes, fühlt man sich in eine andere Welt versetzt. Man sieht zwar überall noch die Spuren der früheren Besiedlung und der jetzigen militärischen Nutzung, doch die Herrschaft behalten hier die Pflanzen und Tiere. Verantwortlich für diesen Eindruck sind die großen weiten Flächen, die locker bis dicht mit von selbst aufgekommenen Gehölzen bestanden sind und wie ein riesiger verwilderter Landschaftspark wirken. Mächtige Einzeigehölze tragen wesentlich zu diesem Eindruck bei, der eigentlich nur durch die Neuaufforstungen gestört wird". (W. Holzner)

Die Ergebnisse der Studie

Hinsichtlich Vegetation und Landschaftsökologie sind die großflächigen Birkenwälder auffällig, die in dieser Ausdehnung und Schönheit in Österreich einzigartig sind. Zu ebenfalls bereits seltenen Lebensräumen zählen die von der Schwarzerle dominierten Au- und Bruchwälder. Neben großen, steppenartigen Wildnisflächen gibt es viele kleinflächige “Junge Wildnisflächen” (Teich- und Seeufer, austrocknenden Einschlagslöchern oder Panzerspuren), die besonders reich an sehr seltenen Arten sind. Die Ufer der meisten Bäche sind mit Schlammufer, Sandbänken und Steilufern ganz ursprünglich und beherbergen eine Vielzahl von Kleinbiotopen.

Die Reste der früheren Kulturlandschaft (alte Einzelbäume und -sträucher, Hecken, Alleen und bunte, artenreiche Trocken-, Mager- und Feuchtwiesenbrachen) zählen zu den botanisch wertvollsten Flächen des Truppenübungsplatzes. Sie sind Lebensräume der seltensten Pflanzenarten und müssen unbedingt erhalten werden. In den Feuchtwiesen(brachen) wächst mehr als ein Drittel – das sind mehr als zehn Arten – aller am Truppenübungsplatz vorkommenden Rote Liste-Arten (d.h. vom Aussterben bedroht) .

Wörtlich heißt es in Kurzfassung der Studie: “Der vegetationskundliche Wert des Truppenübungsplatzes liegt weniger im Vorkommen einzelner Biotoptypen, sondern im Abwechslungsreichtum und der strukturellen Vielfalt des Gebietes. Bäche mit Feuchtwiesen, Röhricht und Bachgehölzen sowie offenen Trocken- und Magerwiesenbrachen mit Einzelbäumen, übergehend in Birkenwälder, zählen zu den landschaftlich schönsten und ökologisch wertvollsten Bereichen des Truppenübungsplatzes. Landschaftlich wertvoll sind auch die Äcker mit der alten Streifenflur, die durch Feldraine mit Hecken und Baumzeilen gegliedert sind.”

Keinerlei landschaftsökologischen Wert besitzen Neuaufforstungen mit Fichte sowie großflächig angelegte neue Ackerflächen.

Was die Vogelwelt betrifft, war informell zu hören, daß sich im Sperrgebiet im Herzen des Waldviertels eine Vielfalt wie in Europa zur Zeit Josephs II. (d.h. vor mehr als 200 Jahren) findet.

Die Birkhuhnpopulation ist sehr bedeutend, der Wachtelkönig-Bestand bildet überhaupt die größte bekannte Population in Österreich. Der Brutbestand der Bekassine besitzt nationale Bedeutung, das Vorkommen des Raubwürgers stellt mit knapp 50% des österreichischen Gesamtbestandes die größte Einzelpopulation dar. In den verfallenen Ortschaften finden sich viele Arten von Brutvögeln. 33 Arten (27%) der Brutvogelfauna des Truppenübungsplatzes finden sich in der Roten Liste Österreichs. Von den drei potentiell gefährdete Kleinvogelarten Feldschwirl, Wiesenpieper und Braunkehlchen gibt es hier so viele wie sonst nirgends in Mitteleuropa.

Der Truppenübungsplatz hat durch seine landschaftliche Vielfalt und das Fehlen intensiver Landwirtschaft überragende Bedeutung als Zufluchtsort für ehemals weit verbreitete Vogelarten.

Bei Amphibien und Reptilien (Blindschleichen, Ringelnattern, Molche, Frösche...) wurden 13 bzw. 4 Arten gezählt, die in den Bodenvertiefungen infolge militärischer Übungen (Panzerspuren, Schützengräben etc.) gute Lebensbedingungen finden. Gefährdet werden sie durch intensivere Fischteichnutzung, Aufforstung, Landwirtschaft (Mähen der Wiesen) und Straßenverkehr.

Von den 24 in Österreich vorkommenden Fledermausarten wurden am Truppenübungsplatz 13 Arten gefunden. Intakte Gebäude, Altholzbestände, alte Obstgärten, Alleen und Bachtälchen sind die für Fledermäuse wichtigen Lebensräume, alte Bunker bieten für die meisten Arten zu wenige Aufhängungs- und Unterschlupfmöglichkeiten nur von zwei Arten genutzt. Das entsiedelte Gebiet bietet für Fledermäuse Nahrung, Wochenstuben (Brutplätze der Fledermäuse) finden sich hauptsächlich in den Randbereichen oder im Umland des Schießplatzes.

Fischotter gibt es vor allem am Nordrand des entsiedelten Gebietes im Raum Allentsteig, wo ein enger Zusammenhang mit der Otterpopulation an der Deutschen Thaya oberhalb von Waidhofen/Thaya anzunehmen ist.

An Mollusken (Schnecken und Muscheln), Gradmesser für den ökologischen Zustand einer Region, wurden elf Arten nachgewiesen. Davon sind 48% der Arten sehr selten, 23% sind gefährdet. Diese Arten werden jedoch nur an 24% der Fundorte festgestellt. Mehrere Vorkommen von typischen Arten der Fließgewässer (wie Flußperlmuschel und Gemeine Flußmuschel) sind wegen der Wasserverschmutzung und des Aufstaus des Kampflusses bereits erloschen.

Infolge der früheren intensiv bewirtschafteten Landschaft (wie Luftaufnahmen des Gebietes von 1938 zeigen) sind alte Biotope verschwunden und die Molluskenfauna ist großteils artenarm. Möglicherweise ist die vorherrschende dichte Vegetation ein Hindernis für das Eingraben der Mollusken und das Vergraben ihrer Eier. In den übrigen Teilen verhinderten die intensive Forstwirtschaft (Fichtenforste) und Landwirtschaft den Neuaufbau einer Molluskenfauna. Der militärische Schießbetrieb (Granattrichter) schafft für die Molluskenfauna neue Biotope.

Die ökologische Gesamtbeurteilung der Studie besagt, daß die verschiedenen Lebensräume des Truppenübungsplatzes unterschiedliche ökologische Wertigkeit besitzen (zB beherbergen Brachflächen wenige Arten an Pflanzen oder Mollusken, jedoch sehr viele Vogelarten). Insgesamt besitzt der Truppenübungsplatz einen hohen ökologischen Wert, der jedoch in einigen Bereichen noch verbessert werden könnte (siehe Maßnahmenkatalog).

Der ökologische Wert des Schießplatzes wird als Resultat der Absperrung gesehen, die zahlreiche naturschädigende Einflüsse ausschließt oder wenigstens mildert. Der militärische Übungsbetrieb hat nur geringen störenden, zum Teil sogar positiven Einfluß auf Fauna und Flora – so die Studie.

Empfohlene Maßnahmen

Von den Experten wurden folgende allgemeine bzw. spezielle Maßnahmen zum Schutz von Fauna und Flora im entsiedelten Gebiet empfohlen:

* Beibehaltung des Naturschutzwertes des Truppenübungsplatzes
* Beibehaltung des Status als Sperrgebiet für die Allgemeinheit
* weiterhin rigorose Handhabung bei der Ausstellung von Passierscheinen
* keine weitere Ausdehnung argrarisch intensiv genutzter Flächen
* Verzicht auf weitere Meliorierungs- und Flurbereinigungsverfahren
* Nach Möglichkeit in der Landwirtschaft weitgehender Verzicht auf Dünge- und Spritzmittel im Zentralraum

Umgestaltung großer, zusammenhängender Feldflächen im Zentralraum; Auflockerung der großen Brachbereiche durch Anlage kleinflächiger, extensiv genutzter Wiesen (Mahd alle ein bis zwei Jahre)

* Keine weitere Ausdehnung der Waldfläche durch Neuanlage von Forstkulturen
* Vermeidung forstlicher Monokulturen
* Erhöhung des Strukturreichtums der Wälder
* Auflockerung der Fichtenreinbestände durch Förderung sich natürlich verjüngender Laubhölzer
* Erhaltung der vorhandenen Laubwaldinseln
* zumindest kleinflächenweise Erhöhung der Umtriebszeiten
* Einbürgerungsverbot für alle heimischen und nicht-heimischen Wildtierarten
* keine weitere Intensivierung des militärischen Übungsbetriebes
* kein weiterer Ausbau des Wegnetzes
* generelle Beibehaltung der Wege als “Staubstraßen”
* keine weiteren Drainagierungsmaßnahmen und Aufforstung der Feuchtbiotope
* Erhaltung der Obstgärten und Alleen
* Naturschutzausbildung für Heeresangehörige

Vegetation

Ausweisung von Schonflächen, uneingeschränkter Übungsbetrieb wie bisher, zu
vermeiden wäre: neue Entwässerungen, Planierungen, Straßenbau, Rodungen
Berücksichtigung und Kennzeichnung von Schutzflächen durch Aufstellung von Tafeln
“Biotop-Schutzgebiet”. Zusätzlich zu den oben genannten Regeln muß darauf geachtet
werden, daß nicht unkontrolliert herumgefahren wird, bestimmte Bahnen sind einzuhalten
(v.a. in Feuchtböden und Mähwiesen).

Vögel

Weitgehender Verzicht auf wirtschaftliche Nutzung der Weichholzbestände der
verfallenen Ortschaften und Bachtäler (ausgenommen notwendige Verjüngungsmaßnahmen)
Hintanhaltung forstlicher Arbeiten im Horstbereich gefährdeter Vogelarten zur Brutzeit
(Graureiher, Schwarzstorch, Wespenbussard usw.)
weiterhin Aufrechterhaltung der jagdlichen Vollschonung der Rauhfußhuhnbestände
nach Möglichkeit räumliche und zeitliche Begrenzung der Nutzung der ökologisch
hochwertigsten Bereiche im Rahmen des militärischen Übungsbetriebes;
Minimierung der Störungen im Zeitraum vom 1. April bis 31. Juli
allfälliges Abbrennen von Schießbahnen nach Möglichkeit auf den Zeitraum
vom 1. bis 28. Februar beschränken
Artenschutzmaßnahmen für das Birkhuhn
Pflege bestehender Balzplätze (z.B. Heinreichs) durch Ausmähen
Ruhestellung aller Balzplätze zwischen 15. März und 30. November und
Kennzeichnung durch Aufstellung von Tafeln “Biotop-Schutzgebiet”

Amphibien, Reptilien

allgemeine Verringerung der Fahrgeschwindigkeit
Vermeidung unnötiger Fahrten in den frühen Morgen-und Abendstunden
Absperrung besonders wertvoller Strecken (inmitten strukturreichen Geländes
gelegene bzw. mit kleinen Tümpeln gut ausgestattete Nebenstraßen)
durch verschließbare Schranken

Fledermäuse

Fledermausnistkästen als Höhlenersatz
Zugänglichmachung intakter Dachböden (z.B. Öffnung der Kapelle Neunzen),
giftfreie Renovierung von Dachstühlen
Adaptierung der alten Bunker (verschlossen und zugfrei) und fledermausfreundliche
Ausrüstung aller Bunker durch Anbringen von Hohlblockziegeln, die an der Wand in
Deckenhöhe angebracht werden

Fischotter

Ottergerechte Bewirtschaftung der Teiche (nach Möglichkeit kein winterliches Trockenlegen)
nach Möglichkeit Anlage neuer Teiche (ca. 100 ha); könnte auf natürliche Weise durch die Wiederansiedlung des Bibers erfolgen
Verbesserung der Nahrungsgrundlage in den Bächen (Edelkrebs)

Mollusken

Erhaltung und pflegliches Management von Trockenbiotopen (durch Vernässung des
Geländes und das Ende der Beweidung gibt es nur mehr wenig Trockenstandorte),
Mähen (z.B. Dietreichs)
Dafür sorgen, daß Ruinen nicht völlig zuwachsen
Offenhalten von Kleingewässern
Biotoperhebung Truppenübungsplatz Allentsteig, hg. vom Umweltbundesamt (Monographien Bd. 55), Wien, Juni 1995 und http://www.ubavie.gv.at/publikationen/ubainfo/info1995/ui12_95/95-12-3.htm (22. Juli 2001)

Die ungekürzte Originalstudie ist im Eigenverlag des Bundesministeriums für Landesverteidigung erschienen.

“...warum die Naturschönheit des Gebietes den meisten Menschen nicht gegönnt sind”

(...) “Der Truppenübungsplatz Allentsteig kennt diese Probleme nicht. Derzeit ist alles ruhig, bis auf gelegentliche Geschützdonner, das Zwitschern der Vögel und das Quaken der Frösche. Aber abgesehen von den “Aussiedlern” und ihren Nachkommen, deren Herz nach wie vor an der alten Heimat hängt, wird sich auch die breite Öffentlichkeit wohl noch gelegentlich mit der Frage beschäftigen, warum die Naturschönheit des Gebietes den meisten Menschen nicht gegönnt sind.”

Erich Steiner, “Refugium mit Geschützdonner. Leben zwischen Panzerketten – der Truppenübungsplatz Allentsteig als Naturjuwel”, in: Morgen 03/2000, S 41

 

ACHTUNG:
Der “heimliche Nationalpark Österreichs” (Zitat BM Dr. Bartenstein), die Naturlandschaft des Truppenübungsplatzes im Waldviertels, ist militärisches Sperrgebiet. Das eigenständige Betreten (auch außerhalb von Schießübungen) wird von der Schießplatz-Leitung als gefährlich bezeichnet, eine Übertretung des Sperrgesetzes wird über die Bezirkshauptmannschaft mit einer Verwaltungsstrafe belegt.