Wien, 14. Dezember 2001 - 
Gestern Abend gab die Sicherheitskoordination der Bundesregierung nach einer 'Krisensitzung' bekannt, daß in einem Postsack der US-Diplomatenpost erstmals Anthrax-Sporen in Österreich gefunden wurden. Einer von rund 80 Postsäcken, den Bundesheer-Experten bei der Dekontamination der betroffenen US-Dienststellen in Wien sicherstellten, wies Spuren des Krankheitserregers auf. Zu diesem Ergebnis - bestätigt durch die Bundesversuchsanstalt Mödling - kamen Wissenschafter im Labor des Amts für Wehrtechnik in den gestrigen Nachmittagsstunden.

Die untersuchte Postsendung war Ende Oktober von der Poststelle des US-State Departments in Washington an die Wiener US-Botschaft verschickt worden. Aufgrund der Verdachtsmeldungen der letzten Monate ersuchte die amerikanische Regierung vorsorglich um Dekontaminationsmaßnahmen in ihren Vertretungen. Dazu holten die US-Diplomaten noch die entsprechenden Freigabe des US Department of State ein. Experten der ABC-Abwehrschule des Bundesheeres dekontaminierten daraufhin zwischen 12. bis 30. November sämtliche betroffenen Räume sowie das Inventar der amerikanischen Botschaft und stellten Proben sicher. Die sichergestellten Postsäcke werden seitdem Stück für Stück von Wissenschaftern in Bundesheer-Labors untersucht. Die umfangreichen Laborarbeiten werden voraussichtlich bis Jahresende abgeschlossen sein.

Oberst Norbert Fürstenhofer, Kommandant der ABC-Abwehrschule beruhigte heute im Rahmen einer Pressekonferenz. Es gebe keinen Anlaß für Unruhe, für die Bevölkerung bestehe keinerlei Gefahr. Die Diplomatenpost wird nicht über die üblichen Versendewege der Post verteilt. Seit den Terroranschlägen des 11. September verfolge die US-Administration überhaupt ein spezielles Postverteilungskonzept und unterziehe jede Postsendung einem speziellen 'Screening', wie US-Botschaftsrat John Quintus betonte.

Seit dem 14. Oktober 2001 gab es in Österreich bis gestern rund 320 Verdachtsmeldungen auf Anthrax-Kontamination. Das Spektrum reichte dabei von Milchpulver bis hin zu 'auffälligen' Werbesendungen. All diesen Berichten wurde vom Bundesheer nachgegangen - bis auf den einen US-Postsack waren aber alle Überprüfungen negativ.

 

Wien, 16. November 2001- 
Seit dem Bekanntwerden der ersten Anthrax-Fälle in den USA sind die Spezialisten der ABC-Abwehrtruppe des Bundesheeres in dauernder Rufbereitschaft.
Im Alarmfalle rücken Sie aus, um etwaige Kampfstoffe aufzuspüren, sicherzustellen und in die Speziallabors zu verbringen. Langweilig wurde es den Kameraden des Bereitschaftsdienstes in den letzten Wochen allerdings nie:
Bis gestern 24 Uhr wurden die Trupps österreichweit insgesamt 288 Mal alarmiert. Verdächtige Substanzen entpuppten sich nach den Untersuchungen oftmals als Mehl, Nasenpuder oder Babynahrung. Nichtsdestotrotz muß bei jedem Einsatz mit größter Vorsicht und Professionalität vorgegangen werden.

Der Ablauf der Alarmierungskette ist mittlerweile Routinesache. Von allen Funden wird die Einsatzzentrale Land des Heeres alarmiert, die dann ihrerseits die jeweils einsatzbereiten ABC-Abwehrkräfte informiert. Allfällige Kampfstoffe werden aufgespürt und sichergestellt, eine Liste aller möglicherweise mit dem Stoff in Berührung gekommener Personen wird für den Fall, daß es sich tatsächlich um Anthrax handelt, angefertigt, und abschließend die Proben den Labors übergeben.

Die Laboruntersuchung dauert ungefähr vier Tage, eine Aussage, ob es sich um 'Bakterium anthracis' handelt, kann allerdings bereits nach einem Tag getroffen werden. Von den bisher untersuchten Proben gibt es bereits für 95 % einen negativen Befund.

Allein im Bundesland Wien werden neben der an der ABC-Abwehrschule gebildeten Einsatzleitung 7 Spezialistentrupps á 2 Mann sowie 6 Spürtrupps á 5 Mann mit sofortiger Abmarschbereitschaft bereitgehalten. 3 Dekontaminations gruppen (anlaßbezogen bis zu 16 Mann) sind in ständiger Rufbereitschaft.

Auflistung der Einsätze nach Bundesländern (bis dato):

Wien 105 Oberösterreich 21
Niederösterreich 52 Salzburg 20
Burgenland 2 Tirol 22
Steiermark 45 Vorarlberg 9
Kärnten 12      

 

Wien, 24. Oktober 2001 - 
Die Experten der ABC-Abwehrschule und des Amtes für Wehrtechnik sind in den letzten Tagen im Dauereinsatz. Die Spezialistenteams sind jederzeit abrufbereit, um verdächtige Stoffe sicherzustellen, zu untersuchen und geeignete Dekontaminationsmaßnahmen zu treffen.

Seit der Tragödie des 11. September wurden 42 Einsätze geleistet. "Die Spezialisten sind bis zu ihren gesundheitlichen Grenzen im Einsatz", so Verteidigungsminister Herbert Scheibner vergangenen Freitag bei einer Pressekonferenz.
In diesem Zusammenhang hob Scheibner die besondere Stellung der Heeresspezialisten hervor: "Arbeiten wie etwa beim Anthrax-Verdacht in Schwechat kann nur das Bundesheer leisten". Der Minister betonte weiters die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit den zivilen Behörden, räumte aber auch ein, daß es Probleme mit der quantitativen Verfügbarkeit der Ausrüstung gibt.

Der genaue Ablauf eines Einsatzes ist drillmäßig vorgeübt und perfektioniert.
Parallel zur telephonischen Beratung ergehen im Alarmfall vorgestaffelte Auskünfte über Absperr- und Evakuierungsmaßnahmen an die Exekutivorgane. Gleichzeitig werden - in Bereitschaft stehende - Spezialtrupps in Bewegung gesetzt, deren Aufgabe es ist, Untersuchungen vor Ort vorzunehmen und verdächtige Materialien sicherzustellen.

Etwaige gefährliche Stoffe werden im Speziallabor des Amtes für Wehrtechnik untersucht. Rund 25 Experten - Biologen, Chemiker und Physiker - sind dort darauf spezialisiert, schnell sichere Analysen zu erstellen.

Die Spezialausbildung der Soldaten der ABC-Truppe dauert sechs Monate.
Neben den klassischen Aufgaben des Aufspürens und Dekontaminierens bei atomaren, biologischen und chemischen Bedrohungen werden auch eigene Elemente zum Retten und Bergen sowie zur Trinkwasseraufbereitung ausgebildet.

 

Ablauf der Untersuchungen Anthrax-verdächtiger Stoffe
ein Bericht von Brigadier Rudolf Hofer, Leiter des Amtes für Wehrtechnik 
Wien, 24. Oktober 2001 - 
Die ABC-Truppe des Österreichischen Bundesheeres stellt im Falle einer Alarmierung die verdächtige Substanz sicher. Dabei wird die unbekannte Substanz mit einem A-Spürgerät und einem C-Spürgerät auf Radioaktivität und chemische Kampfstoffe überprüft. Eine Überprüfung auf biologische Kampfstoffe kann vor Ort nicht durchgeführt werden. Eine allfällige Verseuchung von Personen, Geländeteilen oder Geräten wird durch geeignete Maßnahmen dekontaminiert. Die unbekannte Substanz wird unter ABC-Vollschutz sichergestellt und die Probe einem zuständigen Biologischen Labor übergeben.

Bis vor wenigen Tagen wurden diese Proben ausschließlich vom Biologischen Laboratorium des Amtes für Wehrtechnik untersucht. Zwischenzeitlich werden auch einige andere Labors beigezogen.

In den Labors werden zunächst folgende Untersuchungen vorgenommen: Die Proben werden geöffnet und der Inhalt von verdächtigen Postsendungen wird dokumentiert, wobei die Informationen sofort an die zuständigen Stellen des Innenministeriums zur kriminalistischen Auswertung übersendet werden. Nach einer Erstbeurteilung der Probe mittels Mikroskopie werden kulturelle Untersuchungen durchgeführt und eine Analyseprobe für den genetischen Nachweis hergestellt. Dann erfolgt die Durchführung und Auswertung des genetischen Nachweises auf Milzbrand.

Weiters wird die Kultur untersucht, wobei das Schwergewicht der Untersuchungen auf Anthrax, Cholera, Pest und Pocken liegt. Falls erforderlich, erfolgt eine Untersuchung mittels Massenspektrometrie zur Identifizierung organischer Verbindungen (Kampfstoffe, Reizstoffe und umweltrelevante Substanzen). Das Ergebnis wird an die Einsatzzentrale des Österreichischen Bundesheeres bekannt gegeben.

 

Die analysierten Gegenstände werden bestrahlt, um die Proben zu sterilisieren, d. h. allfällige weitere schädliche Mikroorganismen zu inaktivieren. Durch diese Methode kann eine gefahrlose Weitergabe an die zuständigen Stellen des Innenministeriums erfolgen, ohne daß allfällige Fingerabdrücke zerstört werden.

Um kriminaltaktische Ansatzpunkte für die weiteren Ermittlungen zu liefern, erfolgt eine zusätzliche Materialidentifizierung durch das Chemische Laboratorium des Amtes für Wehrtechnik. Dabei werden je nach chemischer Zusammensetzung der Proben folgende Methoden angewendet: Röntgenfluoreszenz, Röntgendiffraktion, Infrarotmikroanalyse, Rasterelektronenmikroskop, Kapillarionenanalyse.

Abschließend darf noch darauf hingewiesen werden, daß sich das Amt für Wehrtechnik, nebst vielen anderen technischen Bereichen, auch mit biologischen und chemischen Kampfstoffen schon jahrelang beschäftigte. Nur deshalb war es möglich, sofort nach Auftreten des ersten Verdachtsfalles mit geeigneten Untersuchungen reagieren zu können. Inzwischen werden diese Untersuchungen auch teilweise von anderen Labors durchgeführt, was u. a. auf die geographische Dislozierung zurückzuführen ist. Seit Beginn des ersten Verdachtsfalles wird in den Labors des Amtes für Wehrtechnik im Schichtbetrieb 24 Stunden pro Tag - auch am Wochenende - gearbeitet.

(Quelle: BMLV)