Reportage aus Salzburger Nachrichten, 13.03.2002, Alexander Purger
(c) Fotos: BMLV / Air Droessler

Ihr Arbeitsplatz ist in 6000 Meter Höhe, ihr Dienstgefährt bringt sie in wenigen Minuten an jeden Platz über Österreich. Ein Flug mit den Draken-Piloten.

Rechts unten Bad Mitterndorf, vor uns der Grundlsee. Und jetzt ein Hupferl über das Tote Gebirge." - Die Maschine legt leicht an Höhe zu, unter dem silbernen Flugzeugrumpf zieht eine eigenartig bucklige Winterlandschaft durch. "Vor uns der Almsee, rechts der Große Priel", kracht es aus dem Kopfhörer. Österreich ist aus 6000 Meter Höhe merkwürdig klein. Da ist der Traunstein, ein wenig dahinter Linz. Eine Kopfwendung nach links und man erkennt deutlich die lange, schneebedeckte Flanke des Großvenedigers. Dazwischen ein Gezacke und Gefältel weißer Berge, schwimmend im Tiefblau des endlosen Himmels. Die Alpen. Militä-risch genau: "Tauern Area", der Übungsraum der 1. Staffel des Bundesheer-Überwachungsgeschwaders mit Sitz in Zeltweg. Gäste des Geschwaders werden mit der viersitzigen Saab 105 OE befördert, denn der österreichische Saab-Draken ist ein Einsitzer. Die Jets fliegen nicht schnell (das dürfen sie nicht), aber dafür wendig. Eine Steilkurve mit 2,5 g - auf den Körper wirkt die zweieinhalbfache Erdanziehung. Die Arme werden tonnenschwer. "Geht's noch?", fragt der Pilot. "Dann fliegen wir jetzt eine Kurve mit 3,8 g." Die Füße sind wie an der Bodenplatte festgeschraubt. Die Arme zu heben ist unmöglich.

Geübt werden muss täglich

Das Ganze funktioniert auch umgekehrt: Steilflug, dann abrupter Wechsel in die Waagrechte: Der schlecht festgehaltene Fotoapparat knallt gegen das Kabinendach, der Magen befindet sich irgendwo in Augenhöhe. "Unangenehm, gell?", fragt die Stimme im Kopfhörer. Im Draken werden bis zu 7 g geflogen, in den neuen Kampfjets bis zu 9 g. Da bei solchen Belastungen das Blut aus dem Gehirn gepresst würde, tragen die Piloten Druckhosen. Sie füllen sich bei Extrembelastungen mit Druckluft und schnüren die Beine ab, um zu verhindern, dass zu viel Blut von Kopf und Herz weggepresst wird. Die g-Belastung ist auch der häufigste Grund für das Karriere-Ende von Jet-Piloten. Die Wirbelsäule spielt, wenn sie nicht ganz gerade gebaut ist, nach einer gewissen Zeit nicht mehr mit. Unser Copilot, ein Vizeleutnant, ist mit seinen 56 Jahren und mehr als 13.000 Flugstunden daher ein internationales Unikum. Deswegen kennt er auch jeden Berg. Soeben zieht zum Greifen nahe die Flanke des Grimming an uns vorbei. Wenig später geht es durchs Gesäuse: Links und rechts rücken steile Bergwände ganz eng heran. Später, wieder im freien Luftraum, setzt sich eine Rotte von zwei Draken neben uns, ihre Flügelspitzen sind nur wenige Meter auseinander. "Bei schlechtem Wetter fliegen wir sogar überlappend, um den Sichtkontakt nicht zu verlieren", erläutert der Pilot. Die Draken veranstalten eine Abfang-Übung, unsere 105 OE markiert einen unbekannten Eindringling in den Luftraum. Solche Übungen finden täglich statt. Im Ernstfall würden wir nun durch Zeichen zur Identifikation oder zur Landung aufgefordert. Als die Übung vorbei ist, schalten die beiden Draken den Nachbrenner - einen Art Turbo - ein und drehen mit einer Stichflamme im Triebwerk ab. Die Augen können ihnen kaum folgen, so schnell verschwinden sie im Blau. "Mit Überschall wären die Draken in ein paar Minuten von Zeltweg in Wien", sagt der Pilot, ein Hauptmann. Doch Überschallflüge sind selten. Schuld sind die Druckwellen, die sich vor und hinter dem Jet bilden, und die ab 1000 km/h am Boden als Doppelknall empfunden werden. "Das würde im Winter Lawinen auslösen und im Sommer stört er die Touristen", sagt der Hauptmann. "Also fliegen wir nur zwei Mal im Jahr Überschall - ein Mal im Frühling, ein Mal im Herbst. Und bei Alarmstarts." Alarmstarts wegen unbekannter Flugbewegungen über Österreich hat es seit dem 11. September vermehrt gegeben. Ernst wurde es nie, meistens waren es Linienmaschinen mit defekter Radar-Kennung. Was im Notfall passieren würde, sehen wir, als wir landen: Neben dem Hangar stehen zwei startbereite Draken - offene Cockpits, geladene Bordkanonen, je zwei "Sidewinder"-Raketen mit tiefgekühltem Kopf, die sich selbst den Weg in das heiße Triebwerk des Gegners suchen. Über den Waffengebrauch entscheidet nicht der Pilot, sondern der Verteidigungsminister. Er muss deshalb über ein rotes Telefon ständig erreichbar sein.

 

Aussteigen mit dem Schleudersitz

Die zwei Piloten, die in Bereitschaft sind, haben Pistolen umgeschnallt. "Falls wir auf einem anderen Flugplatz landen, müssen wir unsere Maschine bewachen können", erklären sie. Großteils sind es junge Oberleutnants, die im Pilotenzimmer in Zeltweg sitzen. Olivgrüne Overalls, rotweißrote Schals, Schnürstiefel mit Metallösen an der Ferse. "Da wird ein Seil durchgezogen, durch das wir mit dem Schleudersitz verbunden sind", lautet die Auskunft. "Wenn wir aussteigen müssen, zieht uns das Seil die Beine an den Körper, damit wir aus dem Cockpit kommen."
Von Draufgängern a la "Top Gun" haben die Bundesheer-Piloten nichts an sich. Profis, die ihre Arbeit tun, so der erste Eindruck. Einzige kleine Eitelkeit: Teure Pilotenuhren. IWC und Breitling stehen in Zeltweg hoch im Kurs. Was verdient ein Draken-Pilot? "Nach zehn Dienstjahren 2500 Euro netto. Ein AUA-Kapitän hat das Dreifache." Woher nimmt man dann die Motivation, an einem unsicheren Arbeitsplatz beim Heer zu bleiben? "Welcher kleine Bub möchte nicht einmal Jet-Pilot werden", kommt die Gegenfrage. Mit welchen Gefühlen verfolgen sie die Debatte über den Kauf neuer Abfangjäger? "Mit großer Spannung, immerhin geht es um unsere Zukunft", sagt einer. "Ohne Jets wäre Österreich in der Luft total offen", sagt ein anderer.